(De) Wir freuen uns, mit A Weak Light Flickering eine Installation des britischen Künstlers David Thorpe in unseren Berliner Galerieräumen zeigen zu dürfen. Angelehnt an die Gestalt eines Paravents, konstruieren mehrere im Rechteck positionierte Elemente einen immanenten Raum im Raum. Die aus dunklen Holzpaneelen errichtete Struktur, der eine doppelte, innenseitig bemalte Glasschicht eingelagert ist, weist eine geometrische Rasterung aus Farbfeldern auf. Während die äußeren gläsernen Flächen in …
(De) Wir freuen uns, mit A Weak Light Flickering eine Installation des britischen Künstlers David Thorpe in unseren Berliner Galerieräumen zeigen zu dürfen.
Angelehnt an die Gestalt eines Paravents, konstruieren mehrere im Rechteck positionierte Elemente einen immanenten Raum im Raum. Die aus dunklen Holzpaneelen errichtete Struktur, der eine doppelte, innenseitig bemalte Glasschicht eingelagert ist, weist eine geometrische Rasterung aus Farbfeldern auf. Während die äußeren gläsernen Flächen in warmen, erdigen Tönen erscheinen, sind die Innen sichtbaren Scheiben mit tiefgrünen Farbnuancen ausgekleidet. Form und Gestalt der Installation bilden eine fragile und zugleich wehrhafte Architektur, die als Ein- und Abgrenzung zum White Cube – gleichsam einer Rahmenziehung – einen ästhetisch autonomen Raum markiert, und im Inneren dessen sechs Bildtafeln einfasst.
Auf dünnem Papier, dem durch halbtransparente Substanz der Charakter eines Meldungsblattes anhaftet, hat David Thorpe in grün-luzider Ölfarbe sechs Gedichte aufgetragen, und als Tafeln in die temporäre Architektur integriert. Das Schriftbild, wie auch die Weise der Gestaltung und der Gebrauch des Vokabulars, sind in Anlehnung an die Pamphlete der Ranters – eine nonkonformistische Glaubensgemeinschaft im Zeitalter des British Commonwealth (1649-1660) sowie des English Civil War – gestaltet. In heroisch proklamierendem, doch auch sehnsuchtsvollem Ton, künden Thorpes bildhafte Schrifttafeln von einem visionär-prophetischem Gedankengut, welches sowohl einer pantheistischen, wie auch einer subjektiv idealistischen Ideenlehre verhaftet ist. Den Glauben an ein allumfassendes, wie auch im Individuum verinnerlichtes Göttliches auf emphatisch Weise im Medium Literatur zu verkünden, steht in der Manier des „Enthusiastic writing“ des 17. und 18. Jahrhunderts – und findet in Thorpes Gedichten als ein assoziativ-narrativer, in sich zirkulierender Monolog Ausdruck, welcher vom Sein, Werden und Vergehen berichtet.
Vor allem die Weise der expressiven und manischen Rhetorik des Abiezer Coppe (einem Anhänger der Ranters), wie auch die Körperhaftigkeit der Poesie, wie sie in den Gedichten bei William Blake auftritt, bilden hier den Corpus in Thorpes Dichtung. Die durch David Thorpe komponierten Wortagglomerationen formen dabei eine Art Anthem, das als feierlicher Gesang, wie auch als lyrische Dichtung besteht. Gleichsam, wie der Jazzkomponist Sun Ra seine Musik als vertonte Poesie begriff, schreibt Thorpe seinen Gedichten ein musikalisches Element ein, welches durch eine rhythmische Wortstruktur geprägt ist. Repetition (als Wiederholung und Verdopplung) und Aufbruch derselben bilden dabei als Chorus die Basis seiner narrativen Notationen.
Mit dem Verweben und Einbinden einer sozialistischen Romantik in seine Kunst –ähnlich der utopischen Schriften von William Morris –, als auch die Reflektion des Wilden und Ursprünglichen (wie es in den Schriftstücken von D. H. Lawrence zu lesen ist), bezieht David Thorpe nicht nur historische, in der Literatur verankerte Utopien ein. Viel mehr dekonstruiert der Künstler diese und beschreibt mit seinem bildhaften Vokabular einen eigenen utopischen Idealismus, welchen er in den als Aquarell angelegten Gedichten fragmentarisch artikuliert und damit ein visionäres wie auch ein tatsächliches Bild erzeugt. Als Auslagerung des Inneren, wie auch zur Kultivierung des Selbst, bilden David Thorpes Gedichte als narrative Hymne ein Bindeglied zwischen seinen Zeichnungen, Collagen und Skulpturen, und verknüpfen jene in den Rauminstallationen durch eine lautlose Melodie zu einem schillernden Kostüm aus symbolischer Sprache.
Christina Irrgang