(De) In ihrem Versuch, eine unendliche Stille darzustellen, deren synthetische Naturschilderung mit derjenigen der Ewigkeit verwechselt werden könnte, verdanken sich die Gemälde Caroline Bachmanns ebenso sehr dem Symbolismus der vorletzten Jahrhundertwende wie dem Pleinairismus. Die Künstlerin lebt und arbeitet am Ufer des Genfersees. Stundenlang betrachtet sie dort die Landschaft, hält dabei mit Bleistift auf Papier die kleinsten Einzelheiten atmosphärischer Ereignisse fest und notiert am Rande die …
(De) In ihrem Versuch, eine unendliche Stille darzustellen, deren synthetische Naturschilderung mit derjenigen der Ewigkeit verwechselt werden könnte, verdanken sich die Gemälde Caroline Bachmanns ebenso sehr dem Symbolismus der vorletzten Jahrhundertwende wie dem Pleinairismus.
Die Künstlerin lebt und arbeitet am Ufer des Genfersees. Stundenlang betrachtet sie dort die Landschaft, hält dabei mit Bleistift auf Papier die kleinsten Einzelheiten atmosphärischer Ereignisse fest und notiert am Rande die sich ergebenden subtilen Farbveränderungen – hierin den Comic-Koloristen des vordigitalen Zeitalters nicht unähnlich, deren Aufgabe es war, den Graveuren schriftliche Codes zu übermitteln, die den 64 zur Verfügung stehenden Kombinationen von Cyan-, Magenta-, Gelb- und Schwarzanteilen entsprachen. Zurück im Atelier werden die Gemälde daraufhin über einen längeren Zeitraum mit durchscheinenden Lasuren aus Ölfarbe aufgebaut.
Die Bildnisse, Teil einer 2014 initiierten, noch nicht abgeschlossenen Serie von Werken, welche die Künstlerinnen in ihrem Kreis porträtieren, entstehen auf ähnliche Art und Weise. Die Modelle werden zunächst in mehreren Sitzungen mit Bleistift nach dem Leben gezeichnet. Diese vorläufigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen dienen dann als Vorlagen und Schablonen für die fertigen Gemälde.
Die finalen Bilder ergeben sich also ebenso sehr aus der unmittelbaren Beobachtung wie aus dem späteren Fertigungsprozess. Wenn die Visionen, die Bachmann aus ihrer näheren natürlichen Umgebung heraufbeschwört, eine jenseitige, metaphysische Zeit evozieren, so stehen sie auch für ein quasi-generisches Bild ihrer geographischen Region. Deren bildliche Darstellung – von den symbolistischen Landschaften eines Alexandre Perrier bis hin zu den frühmodernistischen Kompositionen von Ferdinand Hodler und Félix Vallotton – hängt in den zahllosen Museen und Privatsammlungen der französischsprachigen Schweiz, während deren grafisch-plastische Ästhetik – Luft, Feuer und Wasser in versteinerter Form – bis heute an den Wänden einer jeden lokalen Bahnstation zu sehen ist, von den Postkartenständern der Touristeninformationen ganz zu schweigen. Ohne jegliche Ironie oder Nostalgie handelt es sich hier um eine unverrückbare lokalspezifische Gewissheit, die sich zwangsläufig unserem geistigen Auge eingeprägt hat: das Bild des Alpenreliefs, wie es sich an der Oberfläche des Genfersees widerspiegelt.
Fabrice Stroun, Genf, im Januar 2022
Übersetzung: Richard Humphrey