Wir freuen uns, mit City of the Old die zweite Einzelausstellung der Künstlerin Eva Koťátková in unserer Galerie präsentieren zu dürfen, hier nun erstmals in unseren Karlsruher Galerieräumen. Eva Koťátková befasst sich in ihren Zeichnungen, Collagen, Skulpturen, Installationen und Performances mit Möglichkeitsformen der Wahrnehmung des Selbst. Die Künstlerin skizziert dabei in ihren surrealistisch anmutenden Objekt-Apparaturen, Raumgefügen und zeichnerischen Bildräumen das Selbst als modellhafte Hülse: Sie stellt mehr noch eine subjektbestimmte Positionierung des Selbst in Frage, die sie in ihrer künstlerischen Arbeit nahezu spielerisch-narrativ als wandelbare Konstruktion ins Blickfeld rückt.

Mit der Ausstellung City of the Old richtet Eva Koťátková den Fokus auf die Lebensraumgestaltung von alten Menschen und hebt dabei die Verschränkung von fiktiv erzeugten und tatsächlich bestehenden Lebenskonzepten hervor. Ausgehend von in Skizzen, Briefen oder Gesprächen vermittelten Erinnerungen und Vorstellungen, hat die Künstlerin die hier gezeigten Arbeiten in Bezug zu persönlichen Geschichten und Erlebnissen alter Menschen generiert – die sie als eine Art bildnerische (Re-)Konstruktion in ihre Objekte und Zeichnungen überführt, zum Ausdruck bringt, umspannt und kommentiert. Die Gratwanderung zwischen Zurückgezogenheit und Isolation wird hierbei gleichbedeutend zum Sujet wie der Aufbruch und die Loslösung von Zeit und Raum.

City of the Old ist als fortlaufendes Projekt angelegt, wobei die Ausstellung in unserer Galerie einen Ausschnitt einer umfassenderen, konzeptuellen Arbeit bildet. Unter dem Titel Stories from the Living Room zeigt Koťátková so aktuell auch einen Teil dieses Projekts im Rahmen der Liverpool Biennale. Während die Künstlerin dort die Beziehung zwischen älteren Menschen und Kindern (als Gedächtnisträger der Alten) fokussiert – Ansätze davon sind auch in den hier ausgestellten Zeichnungen und Collagen zu verfolgen –, legt Eva Koťátková in unserer Ausstellung einen Schwerpunkt auf die Isolation und Vorstellungswelt der Alten, die sie dem Betrachter gleich einem Panorama eröffnet.

Das Objekt Rudolf’s City of the Old basiert auf der Beschreibung eines utopischen Stadtmodells eines alten Mannes, der den ambivalenten Charakter eines Altenheims – gleichsam Ort der Zuflucht, als auch des Gefangenseins – in einer Überlagerung aus Architektur, Mobiliar und Erinne-rungsraum skizziert. Die in Koťátková Modell zueinander positionierten Module stehen außerhalb jeglicher Relation: So erscheinen die im Zentrum angeordneten Stühle und Regale übergroß im Verhältnis zu den umliegenden Gebäudekomplexen. Sie bilden viel mehr eine assoziative Struktur, die – zwischen Konstruktion und Aufbruch changierend – eine innere Bildlichkeit nach außen kehrt, und die erträumte Raumgestalt als visionäres Konzept dokumentiert.

Maria’s Window Theatre nimmt Bezug auf die Lebenssituation einer Frau, deren Alltag durch den Blick aus dem Fenster gekennzeichnet ist, und den sie durch Notizen des Gesehenen in einem Tagebuch festhält. Den statischen Bildkader des Fensterrahmens und die darin nur in Nuancen wechselnden Ereignisse reflektierend, hat Eva Koťátková eine Konstruktion mit hintereinander gestaffelten, verschiebbaren Bild-Tafeln entwickelt, die dem Betrachter gleich einer Folge an Büh-nenbildern austauschbare Szenerien vorführen und als Kulisse der Vorstellung dienen. Ähnlich dem Blick durch ein Fenster, bestehen diese Bildfelder als Substitut der Realität, welchen Koťátková die Aufzeichnungen des Tagebuchs entgegen stellt. Dieses ist, arretiert an einem vor dem Objekt positionierten Stuhl, als narrativer Kommentar zu den im Ganzen oder in Ausschnitten einblend-baren Bildtafeln zu lesen.

Die Raum-Installation Otto’s Doors besteht aus einer kleinen Tür in einer Tür, welche als eingezo-genes Raumelement die beiden Ausstellungsräume miteinander verbindet, doch zugleich auch durch die Eingrenzung des Türausschnitts ein freies Passieren des Raumes einschränkt. Die Gestalt dieser nahezu phantastisch anmutenden Tür führt Eva Koťátková auf die Erzählung eines kleinen alten Mannes zurück, der – um vor Besuchern und fremden Einflüssen geschützt zu sein – eine derartige, auf seine Körpergröße zugeschnittene Tür in der Tür zur Abgrenzung und zum Rückzug imaginierte.

Während die Skulptur Reading machine – ein drehbares Rad mit daran arretierten, aufgeschla-genen Büchern – als mobiles Display die Loslösung von einer an Statik gebundenen Betrachtung suggeriert, ist es im zweiten Ausstellungsraum eine sich rasterartig an der Wand entfaltende Holz-konstruktion, die wie ein Korsett die darin präsentierten Collagen und Zeichnungen umspannt. Die grafischen Arbeiten Eva Koťátková bilden mit dieser Wandinstallation einen weiteren Schwerpunkt ihrer Ausstellung.

In verschiedenen Formaten und auf unterschiedlichen Papiergründen zeigt die Künstlerin hier Körper, Körpersegmente oder Gesichter von Kindern, Tieren und alten Menschen, die in einem surrealistisch anmutendem Bildgefüge erscheinen. Koťátková bindet den menschlichen Körper in ihren Zeichnungen und Collagen an Objekte wie Bücher oder Möbel, oder gliedert ihn in architek-tonische Konstruktionen ein. Dabei verschränkt die Künstlerin die Bildelemente derart miteinander, dass die Körper ihrer Figuren als leere Hülse, als bloßes Instrument, ja mitunter sogar als Apparat erscheinen – einem Bezugssystem obliegend, dessen wesentlicher Bestandteil sie selbst sind. Durch das Einfügen von Pfeilen und Linien suggeriert und lenkt Koťátková bildimmanente Blickrichtungen und Bewegungen, die Beziehungsgefüge andeuten und eine stumme Narration erzeugen. An anderer Stelle fügt die Künstlerin vereinzelt Sprachfetzen ins Bildmotiv ein oder ordnet einzelnen Bild-Fragmenten ein Zahlensystem zu, das als ein Verweis auf eine außerhalb dem Bild liegende Erläuterung erscheint – die jedoch nicht existiert, sondern ins Leere mündet.

Antagonismen wie Präsenz und Absenz, Mobilität, Immobilität, Bewegung, Statik und Stillstand sind Motive, welche sich in unterschiedlichen Ausdrucksformen durch Eva Koťátková Exponate ziehen. Ihre Skulpturen, Rauminstallationen und Bildräume kreisen dabei um die Fähigkeit zur Eigenständigkeit und den Verlust von Kontrolle. Das Herausbilden, Aufrecht erhalten und Verlieren von Identität skizziert die Künstlerin in City of the Old durch Formen des Erinnerns und Vorstellens, das sie in bildhafte Synonyme kleidet und als konzeptuelle Narration und surreale Konstruktion vom real Körperhaften entbindet.

Christina Irrgang