(De) Wir freuen uns, mit Die Leere und das gezeichnete Ich die vierte Einzelausstellung von Armin Boehm in unserer Galerie – erstmals auch hier in unseren Berliner Galerieräumen – präsentieren zu dürfen. Während Armin Boehm in seiner vorangegangenen Ausstellung Waldgänger das Erforschen von wissenschaftlichen, wie auch menschlichen Grenzbereichen in den Mittelpunkt seiner Malerei gestellt hat, weitet der Künstler mit seiner aktuellen Schau das Motiv des Grenzgängers hin zu der Betrachtung einer …
(De) Wir freuen uns, mit Die Leere und das gezeichnete Ich die vierte Einzelausstellung von Armin Boehm in unserer Galerie – erstmals auch hier in unseren Berliner Galerieräumen – präsentieren zu dürfen. Während Armin Boehm in seiner vorangegangenen Ausstellung Waldgänger das Erforschen von wissenschaftlichen, wie auch menschlichen Grenzbereichen in den Mittelpunkt seiner Malerei gestellt hat, weitet der Künstler mit seiner aktuellen Schau das Motiv des Grenzgängers hin zu der Betrachtung einer Theorie des Ichs aus. Boehm bezieht sich hierbei auf die avantgardistischen, literarischen Strömungen des Expressionismus, wobei er die dort sprachlich formulierte Frage nach der Definition und Verortung des Menschen – wie auch seinem Denken – aufgreift, und mit den Mitteln der Malerei bildnerisch aktualisiert.
In den Gattungen Interieur, Stillleben, Gruppenportrait und Landschaft führt der Künstler dabei mitunter solche Motive aus, wie sie in Form von poetisch-philosophischen Sprachbildern in der lyrischen Moderne veräußerlicht wurden, um einen inneren, menschlichen Seins-Zustand zu beleuchten. So bezieht sich der Titel der Ausstellung Die Leere und das gezeichnete Ich auf eine Zeile eines von Gottfried Benn verfassten Gedichtes, das um die Brüchigkeit und Formgebung des eigenen Subjektes kreist. Armin Boehm überführt dies in den Bildraum seiner Malerei: Mit einer perspektivisch durchbrochenen, fragmentierten Raum- und Figurendarstellung generiert der Künstler solche Bildsequenzen, welche die Körperlichkeit des Dargestellten synthetisch auflösen und sich gleichsam aus der Überlagerung von Form, Farbe und collagierten Elementen – wie Papier oder Metallstaub – heraus bilden.
Umschreibungen des Selbst im Spiegel eines modernen, verzweigten Denkens, wie sie derart auch in den 1950er Jahren von Philosophen wie Martin Heidegger ins Auge gefasst wurden, wirken Impuls gebend bei Armin Boehms Bildfindung: Austreibende Wurzeln oder Äste von Bäumen stehen so sinnbildlich dem Gedanken der Verzweigung des Individuums gegenüber. Obgleich vereinzelt Menschen in Boehms Bildräumen auftreten, sind es vor allem ihre gestisch ausgeführten oder angedeuteten Spuren, die sich in seinen Bildmotiven abzeichnen. Armin Boehms Bildsujets befinden sich hierbei in einem Zustand der Transformation. Die Aufsicht auf städtische Strukturen; der Einblick in ein morbides, mit Blumen ausstaffiertes Interieur; der Blick in einen kargen Wald oder die Darstellung einer dörflichen – beinahe mittelalterlichen – Siedlung, in der unkenntliche Figuren auftreten und einen rituellen Handlungsvollzug erahnen lassen: Die Körperlichkeit des Dargestellten changiert zwischen Entstehen, Präsenz und Absenz, und löst sich in ihrer Greifbarkeit in der Zergliederung und Durchdringung der Bildelemente und -motive auf.
Wiederkehrende Strukturen oder Farbflächen erscheinen hierbei in der Folge der einzelnen Bilder als narrative Formulierungen, die den Menschen als Erinnerung und Symptom, ja als Signum seiner Existenz – eben nicht als vollständiges Individuum – erkennen lassen. Wurde die fragmentierte Beschaffenheit des Selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Angesicht von Industrialisierung und Urbanität betrachtet, ist es nun im 21. Jahrhundert eine alle Lebensbereiche durchdringende Wissenschaft und Technik, die eine neue Form des Disparaten mit sich bringt. Armin Boehm überführt diese körperliche wie geistige Fragmentierung in eine existenzanalytische, zwischen Figuration und Symbolik zirkulierende Bildsprache, die implizit auch eine Frage nach der inneren wie äußeren Konstitution des zeitgenössischen Menschen mit den Mitteln der Malerei formuliert.
Christina Irrgang