(De) Gespräch zwischen Nord und Februar
N: Meine Konstante ist der Raum, immateriell ausgerichtet mein Gebiet. Doch die Zeit umfasst meine Glieder. Sie greift nach mir, während ich meinen Atem über sie lege. Hier bestehe ich subtil. Die Spur meines Zeitverlaufs schreibt sich in der Differenz zweier Stühle ein, der eine für eine bestimmte Dauer auf einer Insel im Park platziert, verwittert und von stumpfer Oberfläche trägt er mein Vorhandensein, mein Wehen und heimliches Jagen auf seiner Haut. Den anderen habe ich nie gesehen. Werden sie sich gegenseitig wiedererkennen?
F: Ihr Zusammensein ist für eine gewisse Dauer bestimmt, diese Dauer ist mein Körper, ich umfasse sie in meinem Begriff von Zeit. Ich bin ähnlich dem Temporären verhaftet wie du, doch durch den Zeitraum, den ich in meiner unsichtbaren Grenzziehung gewähre, verschaffe ich auch Platz, zu bleiben, inne zu halten. Vermag sich ein Schauender aufzuhalten.
N: Du bist durchzogen von einer Horizontlinie aus bronzekühlen Ästen, markiert in deinen Grenzen, entlang der Wand, der Decke, der Koordinaten, die dich hier und jetzt umgeben. Meine Markierungspunkte verbleiben im Nicht-Sichtbaren, wenn man mir auch solche Maßeinheiten zugesteht. Trotz Eingrenzung, Festlegung von Ort, Zeit, Raum: ich wachse fortwährend, als Bewegung. Ein Mensch führt an einem Tag meine Eigenschaften aus, steigt hoch auf einen Balkon und lässt Materie fallen. Das Resultat ist von Kalkül und Zufall geprägt, es trägt meine Triebkraft des Vibrierenden, Schwingenden, auch wenn wir die Handlung nicht sehen mögen und auch nicht das Material, das sich formt. Es ist wie ein offenes Spiel.
F: Ich brauche diese Grenzen, den Anfang und das Ende. Ohne jede Definition des Festen wäre ich verloren. Das Fließende steht nicht in meiner Macht. Du bewegst dich frei. Ich entfalte mich in der Freiheit dieser Höhle und Fläche, die ich mit meinem Körper umschließe. Solch Höhlen berge ich auch hier, sinnbildlich aus Ton geformt, Keramiken mit Holz, Stoff und anderen weichen Materialien…zerknautschte oder vom Hund zerbissene Plastikfußbälle, gefunden oder getauscht. Ihre zerklüftete Form schmiegt sich an meine Säulen. Meine Hohlräume sind Gefäße für Worte. Und dann die Flächen, du sprachst vom Horizont. Er definiert das Ferne, die Landschaft, möglicherweise sogar die Grenze, an der ich dir begegnen mag, an der sich unsere Temperamente treffen. Diese blau verschwimmende Linie windet sich zwischen Statik und ihrer zitternden Auflösung im Raum. Ich fühle mich dir nah und verwandt, wenngleich du mir das Ende meines Daseins deutlich machst.
N: Wir sind Teil des Wandels, wir sind Verläufe. Das Flüchtige des Moments und die Grenze des Raumes, wer wären wir, wenn sie uns schreckten? Sie definieren uns, in gleichem Maße, wie wir sie beschreiben und ausfüllen, als das, was sie sind und sein können. Die Bälle erzählen uns Geschichten, so, wie sich die Stühle von gegenseitiger Abwesenheit berichten. Erst ihr Anderssein im Gleichen zeigt ihre gemeinsame Ausrichtung. Sie verbinden dich und mich und sind doch ganz sie selbst.
F: Wärme und Kälte, Hell und Dunkel. Der Raum, die Fläche. Die Zeit, der Raum. Wir tragen all dies in uns, zeigen es in jener Entsprechung, die uns am nächsten kommt. Du wähltest hier die Performance, ich die Ausstellung. Rollen begegnen uns. Sie zu versuchen, vermag unseren Blick zu weichen und zu schärfen, Zeit und Raum zu durchleben, als das, was sie sind. Das sind wir. Irgendwo draußen spielen Kinder mit Bällen, sie fragen nicht nach Februar und nicht nach Nord.
N: Dein Horizont ist der Beginn meiner Tat. Wir treffen uns wieder im Mai.
Christina Irrgang