(De) Eröffnung: Freitag, 3. November 2023, 18–21 Uhr
Talk: 19 Uhr
Talk mit AA Bronson (Künstler und Gründungsmitglied von General Idea), Antje Krause-Wahl (Goethe-Universität Frankfurt) und Christian Liclair (Texte zur Kunst)
„Ich begreife diese Werke nicht wirklich als erotisch. Ich betrachte den Körper fast wie ein Objekt.”
– Jimmy DeSana über seine Serie Suburban (1979–84)
Der queere Fotograf Jimmy DeSana arbeitete von 1973 bis zu seinem frühen Tod aufgrund einer AIDS-bedingten Krankheit im Jahr 1990 in New York: No-Wave-Musik, Clubkultur, Performancekunst, die Pictures Generation und Mail Art – DeSana war nicht nur selbst Schlüsselfigur dieser Szenen, durch seine Fotografien avancierte er auch zum Chronisten der queeren New Yorker Subkultur der 70er und 80er Jahre.
Trotz seiner Bekanntheit in Künstler*innenkreisen zu Lebzeiten, wurde DeSanas Werk lange Zeit nur wenig Aufmerksamkeit zuteil. Erst letztes Jahr richtete das Brooklyn Museum in New York unter dem Titel Submission seine erste museale Einzelausstellung aus. Im Juli 2024 eröffnet in den Berliner KW die erste institutionelle Schau DeSanas in Deutschland.
Meyer Riegger zeigt 53 Arbeiten aus allen Phasen seines kurzen, aber produktiven Schaffens. Mit einer Serie aus 56 Schwarz-Weiß-Lithografien namens 101 Nudes schloss DeSana 1972 sein Kunststudium an der Georgia State University ab, wo er zunächst mit Malerei begonnen und sich ab dem zweiten Semester der Fotografie zugewandt hatte. Bereits an seinem Abschlussprojekt werden die Themen deutlich, die DeSana seitdem beschäftigten und die er, bis zu seiner AIDS-Diagnose 1985, meist mit Humor betrachten sollte: Körper, Sex, Objektifizierung und Unterwerfung – fast immer in häuslicher Umgebung.
Nachdem DeSana 1985 seine AIDS-Diagnose bekommen hatte und immer schwächer wurde, schränkte er sein Sujet ein, arbeitete aber weiterhin wie besessen: Er konzentrierte sich nun auf bis in die Abstraktion reichende Darstellungen von Objekten wie Kerzenhaltern aber auch von menschlichen Gesichtern. Wie die Kuratorin Elisabeth Sussman in ihrem Essay „Jimmy DeSana: Erotic Miniaturist“ schreibt, waren die 1970er das letzte Jahrzehnt, in dem erotischer Hedonismus nicht mit der Gefahr einer Infektion verbunden war – ein Unwissen, das für die queere Szene große Freiheit bedeutete, die aber gleichzeitig tagtäglich eingeschränkt oder gar verunmöglicht wurde durch gesellschaftliche Anfeindungen bis hin zu gewaltsamen polizeilichen Übergriffen, von denen schwule Männer wie DeSana damals betroffen waren. DeSanas Werk ist die ästhetisch mitreißende Verhandlung der subversiven Kraft des queeren Körpers zwischen diesen beiden Polen von Freiheit und Einschränkung, Leben und Tod.
Jimmy DeSana (1949, Detroit–1990, New York)
Zu seinen jüngsten Einzel- und Doppelausstellungen gehören die Retrospektive Submission im Brooklyn Museum, New York, 2023; The Sodomite Invasion: Experimentation, Politics and Sexuality in the work of Jimmy DeSana and Marlon T. Riggs, Griffin Art Projects, Vancouver, 2020; und Remainders, Pioneer Works, New York, 2016. DeSanas Werke befinden sich in zahlreichen öffentlichen Sammlungen, darunter das Institute of Contemporary Art, Boston; das Metropolitan Museum of Art, New York; das Museum of Contemporary Art, Chicago; das Museum of Fine Arts, Houston; das Museum of Modern Art, New York; und das Whitney Museum of American Art, New York.
In dem Talk am Freitag, 3. November um 19 Uhr geht es um die historischen, politischen und ästhetischen Bezüge im künstlerischen Werk Jimmy DeSanas.
AA Bronson ist Künstler, war ein Freund DeSanas und Gründungsmitglied von General Idea, dem Kollektiv, das von 1972 bis 1989 das Magazin FILE herausgab, in dem auch Werke DeSanas veröffentlicht wurden. Derzeit läuft eine große Retrospektive zu General Idea im Berliner Gropius Bau.
Antje Krause-Wahl ist Professorin für Gegenwartskunstgeschichte, Subjektkonfigurationen und Körperpolitiken an der Goethe-Universität Frankfurt. In ihrer Habilitation untersuchte sie Zeitschriften als Kommunikationsplattform queerer Subjektpositionen, darunter auch das FILE Magazin von General Idea und die Fotografien DeSanas.
Christian Liclair ist Kunsthistoriker und -kritiker sowie Chefredakteur der Kunstzeitschrift Texte zur Kunst. Seine Monografie Sexually Explicit Art, Feminist Theory, and Gender in the 1970s wurde 2022 bei Routledge veröffentlicht. Gemeinsam mit Susanne Huber und Daniel Berndt ist er Mitherausgeber des Sammelbandes ambivalent work*s zu queerer Kunstgeschichte, der im diaphanes Verlag erscheinen wird.
Für Presseanfragen: alicja@meyer-riegger.com