(De) MEYER RIEGGER Daniel Roth Kartograph und Gelände 21.09.-02.11.2013 Mit “Kartograph und Gelände” präsentiert die Galerie Meyer Riegger die fünfte Einzelausstellung von Daniel Roth. Die Ausstellung gliedert sich in sechs Kapitel, die als narrative Einschlüsse(1) und Markierungspunkte den Verlauf(2) einer möglichen Landschaft innerhalb der Berliner Galerieräume beschreiben. Der Betrachter wird hierbei zum Reisenden durch das von Daniel Roth Erzählte, durchschreitet lesend die von ihm verbildlichte Route durch imaginäre Räume, Gegenstände und Zustände(3). Die Schauplätze, die Roth mit seiner assoziativen Kartografie benennt, binden sowohl Gedanken an Orte auf dem Festland, als auch – als Übergang(4) und Transit gesehen – an Orte auf Inselketten, die eine sich allmählich zergliedernden Landschaft beschreiben. Der Künstler setzt seine Objekte und Zeichnungen, seine Collagen, Fotografien und Filme mit gefundenen Bildern sowie mit (Natur)Materialien in Bezug, die er einer konzeptuellen Formwandlung unterzieht, doch stets als einen möglichen(5) Verweis an das außerhalb des narrativen Raumes Liegende integriert. Seine Erzählungen umfassen wiederkehrend Orte der Vorstellung, die vom Realen als Anhaltspunkt ausgehen, doch ihre Form erst durch das Unterlassen(6) ihrer direkten Zugänglichkeit gewinnen.
1 Der Gedanke des Einschlusses folgt der Idee der “Talstadt unter Beton” – der Vorstellung, die Fünftälerstadt Schramberg im Schwarzwald mit Beton auszugießen, zu der Daniel Roth bereits 1998 eine Installation in den Karlsruher Räumen der Galerie Meyer Riegger realisierte. Der Zugang zu der unter Beton versiegelten Stadt ist nur durch die Rückwand eines Kleiderschrankes möglich. Der Gedanke der Talstadt dient als Matrix für alle Geschichten, die Roth in Hinblick auf den Einschluss von Raum denkt.
2 Der Verlauf findet sich generell als Metapher der von Roth konzipierten Ausstellung wieder, doch insbesondere schieben sich die ersten beiden Kapitel als aufeinander bezogener Verlauf ineinander. Neben der Transformation verschiedener Körper, die sich in Landschaften verwandeln, ist es vor allem der Bezug zum altem Lichtspielhaus in Schramberg, den Roth mit der Grotte Gouffre de Padirac, einer kreisrunden Erdlochöffnung in Frankreich, in Verbindung setzt. Der Einschluss eines nur bedingt zugänglichen Raumes, oder die Vorstellung eines unsichtbaren Hohlraumes wird dabei zum Sinnbild in Daniel Roths Installation: Das hier von einem Tank abzweigende Rohr wie auch der Tank selbst erscheint als Äquivalent zu Gouffre, als fiktionale Verschiebung. Durch das Abstellen der Tasche, die sich neben dem Gestell befindet, öffnet sich gedanklich das Loch hinein in den Dunkelraum des Hohlkörpers.
3 Im dritten Kapitel der Ausstellung wird der Verlauf von Zuständen zum Motiv der Erzählung. Es folgt dem Gedanken von sterbenden Tieren, deren Körper sich zu Inseln verwandeln. Roth hat hier ein Fellobjekt auf einem Metallgestell platziert, das in seiner amorphen Form weder Lebewesen, noch Ort benennt. Es skizziert in seiner räumlichen Präsenz einen insularen Zustand, den Daniel Roth ähnlich in seiner Collage aufgreift.
4 Der Übergang, hier sinnbildlich vom Festland zu den Inselketten, wird in diesem thematischen Abschnitt von einer Architektur beschrieben, die aus einer Aschelandschaft entsteht. Die Zergliederung des Ganzen in Teile, wie auch das Herausformen von etwas Spezifischem durch die Häufung des Einzelnen findet hier als figurative Doppelung Ausdruck. Eine Backsteinwand wird von einem Aschebecken gesäumt, sie ist die Architektur, die sich auf der Ascheinsel erhebt.
5 Das Feld des Möglichen ist ein wiederkehrendes Sujet in Daniel Roths Arbeiten, und so vor allem in seiner Installation mit den blinden Würfeln. Sie bezeichnet einen möglichen Gegenstand der auf Asche errichteten Architektur. Drei Würfel ohne Augen sind auf einem schwarzen Sockel platziert, die in die Tiefe eines darauf stehenden Gipskorbes geworfen werden könnten. Sie thematisieren das Spiel, den Versuch, auf den es keine Antwort zu geben vermag. Der Ausgang verbleibt als das Ungewisse.
6 Daniel Roth unterlässt das Dokumentarische, seine Sprache basiert auf dem Heranziehen von Auszügen, Merkmalen, oder auch auf abstrahierten Grundformen. Ähnlich bildet sich dies in seinen Fotografien ab, die er hier als Diaprojektion präsentiert. Sichtbar werden Oberflächen: von einem überwachsenen Manta im Wald, von gelben Schwefelflecken auf Felsen, von Gletscherstrukturen. Diese Bilder erscheinen wie eine Sprache, deren Alphabet ein Code aus Sedimenten ist. Verknüpfungen einzelner Fiktionen, die Leerstellen unserer Vorstellung füllen.
Text: Christina Irrgang