(De) Vor ungefähr zwei Jahren habe ich einige Tage in Meusers Haus in Düsseldorf-Lohausen verbracht. Ich war auf dem Weg, nach Düsseldorf zu ziehen, und Meuser bot mir an, für eine kleine Weile des Übergangs in seiner Dachwohnung unterzukommen. Da war ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe. Über das Haus flogen Flugzeuge, hinter ihm erschloss sich ein verwilderter Garten mit großen Bäumen und vielen Blüten. Nicht weit vom Haus entfernt liegt der Rhein, der sich als Schlinge windet und in seiner …
(De) Vor ungefähr zwei Jahren habe ich einige Tage in Meusers Haus in Düsseldorf-Lohausen verbracht. Ich war auf dem Weg, nach Düsseldorf zu ziehen, und Meuser bot mir an, für eine kleine Weile des Übergangs in seiner Dachwohnung unterzukommen. Da war ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl, eine Lampe. Über das Haus flogen Flugzeuge, hinter ihm erschloss sich ein verwilderter Garten mit großen Bäumen und vielen Blüten. Nicht weit vom Haus entfernt liegt der Rhein, der sich als Schlinge windet und in seiner Beuge den Lantz´schen Park einschließt. Meuser und ich haben so einige Tage hier gemeinsam verlebt. Am Sonntag nach meiner Ankunft machte er das Damenrad fit und zeigte mir die Gegend. Wir fuhren über gerade Straßen durch Felder, an Pferdekoppeln vorbei und auf dem Deich Richtung Kaiserswerth, dann durch den Park, Meuser stets vorneweg und seine Krawatte und das Jackett im Wind. Er war mir in Vielem hier voraus, vor allem an den Morgenden. Wenn ich aus meiner kleinen Residenz unterm Dach hervor trat, machte es den Anschein, als säße er bereits seit Stunden an dem großen Holztisch im Wohnbereich. Zu seiner rechten Seite war die Terrassentür gelegen, sein Blick konzentriert auf das Blatt Papier vor ihm gerichtet. Ein paar Mal sah ich mir das so an, ohne nachzufragen. Aber ich wunderte mich, war neugierig. Nach einigen Tagen erkundigte ich mich bei ihm, was er da mache. Lottozahlen, sagte er. Auf dem Blatt zeichnete er Kästchen von regelmäßiger, gleicher Größe, und füllte sie wohlüberlegt, zum Teil grübelnd, aber bedacht und fortlaufend mit Zahlen. Ich konnte in diesen Morgenstunden, Tee trinkend, schwer bestimmen, wo diese Kombinatorik hinführen sollte. Meuser vollzog jede Handlung sehr konzentriert, das Ergebnis im Blick bewahrend. Diese Bewegung hielt mich an, die eigenen Gedanken fortzuspinnen. Ich fragte mich, wie es aussähe, wenn man jeder Zahl, die er in seiner mathematischen Kartografie notierte, ein Wort oder einen Satz zuordnen würde. Ein Aufbruch der Logik wäre die Folge, ein Wiederkehren von Fragmenten, ja ein Kreisen der Gedanken, ein Wahrnehmen in Schlaufen. Abends laß ich in Meusers Katalogen. In dem Buch “Knautsch” ist ein Gespräch zwischen ihm und Franz Ackermann, in dem geht es an einer Stelle um die Banalität der Sprache, um eigene Formen der Sprache, die Meuser am Beispiel des Ruhrpotts erläutert, ihre eigene Dynamik, ihre unaufgeregte Selbstbehauptung, dem Gedanken folgend: “Einmal ohne alles”. Meine Idee, die von seinen Lottozahlen ausging, ließ mich nicht los. Ich kaufte Postkarten und schrieb sie meinen Freunden in Karlsruhe, den Ort, den ich für Düsseldorf verlassen sollte. Ich ordnete jedem Satz eine Zahl zu, dann setzte ich eine willkürliche Zahlenfolge unter diese Zuordnung, um den Sinn des Geschriebenen aufzubrechen, ja, den einzelnen Sätzen einen neuen Sinnzusammenhang zu geben, die Re-Kombination der einzelnen Elemente im Vordergrund sehend. Ich nannte diese Form: codierte Gedichte. Diese Form liegt meiner jetzigen Bezugnahme zu seinen Arbeiten zu Grunde, neue Skulpturen und Zeichnungen, die er in seiner aktuellen Einzelausstellung bei Meyer Riegger Karlsruhe zeigt.
1 Objekte aus Metall, wirken gefunden
2 Die materiale Substanz wird geformt und platziert
3 Geschmirgelte, polierte, bemalte Oberflächenstruktur
4 Bezugnahme am Ort
5 Staubige Kohleschraffur auf stumpfem Grund
6 Raum und Körper bilden Raumkörper
7 Handlungsgesten, minimal
8 Autonome Erzählung, Abgrenzung vom Gefüge
9 Ausgang: Kontur und Gestalt
7 2 4 8 1 3 9 4 4 6 2 7 3 1 8 5 6 9 7 2 7 3 6
Christina Irrgang, Düsseldorf, im Mai 2013