(De) In der Gruppenausstellung Fontaine de la Mort präsentieren Meyer Riegger, Basel und die Galerie Mueller Arbeiten von Horst Antes, Eva Aeppli, Franz Karl Basler-Kopp, Katinka Bock, Miriam Cahn, Jimmy DeSana, Gabriella Gerosa, Nicolás Guagnini, Niklaus Hasenböhler, Eva Koťátková, Rudolf Maeglin, Jonathan Monk, Werner von Mutzenbecher, Paulo Nazareth, Hermann Scherer, Klaudia Schifferle, Johannes Robert Schürch, Gustav Stettler, Jean Tinguely, Andreas Walser und Anna Barbara Wiesendanger. Die …
(De) In der Gruppenausstellung Fontaine de la Mort präsentieren Meyer Riegger, Basel und die Galerie Mueller Arbeiten von Horst Antes, Eva Aeppli, Franz Karl Basler-Kopp, Katinka Bock, Miriam Cahn, Jimmy DeSana, Gabriella Gerosa, Nicolás Guagnini, Niklaus Hasenböhler, Eva Koťátková, Rudolf Maeglin, Jonathan Monk, Werner von Mutzenbecher, Paulo Nazareth, Hermann Scherer, Klaudia Schifferle, Johannes Robert Schürch, Gustav Stettler, Jean Tinguely, Andreas Walser und Anna Barbara Wiesendanger. Die Arbeiten der Künstler*innen eröffnen Möglichkeiten des Nachdenkens über Themen wie Vergänglichkeit, Vanitas und Tod.
Ohne Wasser kein Leben
Ausstellungstext von Alain Claude Sulzer
Brunnen sind Sinnbild für Kontinuität, für ewig strömenden Überfluss. Was wären wir ohne Wasser? Womit müssten wir rechnen, wenn das Wasser versiegte? Ohne Wasser kein Leben. Das leise Plätschern verspricht Ruhe, Kontemplation. Hier führt man das Vieh zur Tränke. Neuigkeiten werden am Brunnenrand ausgetauscht. Kinder finden an heißen Sommertagen darin Kühlung.
Manchmal bringt der Brunnen sogar die verlorene Jugend zurück. Es genügt, in den Jungbrunnen zu tauchen. Bei Lucas Cranach steigen die alten Frauen linkerhand in das große Brunnenbecken ein, rechts kommen sie wieder heraus: Ihre Jugend ist zurück, das Alter besiegt. (Männer hatten zu Cranachs Zeiten offenbar andere Bedürfnisse als ewige Jugend; die lassen sich nicht blicken.)
Nirgends wird das Alter als nahendes Ende so spürbar und augenscheinlich, wie wenn es auf Jugend trifft. Umso unfassbarer das Entsetzen, wenn der Tod die Jungfrau anfasst, wie es in jedem Totentanz geschieht. Wer möchte nicht in die flehentliche Bitte des Mädchens einstimmen, das in Schuberts Lied Der Tod und das Mädchen den «wilden Knochenmann» anfleht, er möge vorübergehen und es nicht anrühren. Mag uns beim Bild des Todes, der den Kaiser zum allerletzten Tanz auffordert, unverhohlene Schadenfreude erfassen, der Anblick des Sensenmanns, der sich das junge Mädchen holt, hat unser ungeteiltes Mitgefühl.
Der Tod ist omnipräsent, von der Wiege bis zur Bahre. Er kreuzt unsere Wege, er durchkreuzt unsere Pläne, und selbst wenn er sich uns nicht zeigt, macht er in jeder Sekunde auf sich aufmerksam: Es genügt, eine Zeitung aufzuschlagen. Allgegenwärtig war er auch in Jean Tinguelys Spätwerk. In seiner Fontaine de la Mort fließt das Wasser dank eines Motors. So ganz natürlich ist seine Quelle also nicht; so wenig wie die Pflanzen. Der Brunnen blickt uns mit leeren Augen aus Totenschädeln an. Zinn, Metall, Tierschädel, Tierhörner, künstliches Blätterwerk, Motor – lauter unverwüstliches Material, das länger hält als ein Menschenleben. Was sagt das über unsere eigene Dauer? Dass unsere Knochen länger halten als unser Geist. Dass Kunst haltbarer ist als der Mensch.
Tinguely hat den Gegensatz zwischen Leben und Tod in eine Maschine gepackt, er hat den Widerspruch aufeinander abgestimmt und in Bewegung gesetzt – und es uns überlassen, darüber nachzudenken, was uns diese unvereinbare Einheit bedeutet. Vielleicht ist sie das Wesen der Kunst?
An den Wänden ist das Leben nicht weniger widersprüchlich, es wechselt zwischen Stillstand und Bewegung, zwischen bunt und grau, zwischen weiß und schwarz, zwischen Gegenständen und Menschen, zwischen Verkürzung und Ausuferung. Da und dort mag man auch das Mädchen erkennen, dem der Tod nachstellt. Das Leben ist im Fluss und zugleich wird es für einen Augenblick angehalten.