(De) Mit Mach Mehr Mennige zeigt Meyer Riegger erstmals eine Ausstellung mit historischen Arbeiten von Meuser aus den 1980er und 1990er Jahren. Zu sehen sind Skulpturen, Wand- und Papierarbeiten, darunter auch seine Lottozeichnungen. Die umfangreiche Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit mit Bärbel Grässlin entstanden. Parallel zur Schau in Karlsruhe präsentiert die Frankfurter Galerie unter dem Titel Red kein Blech von 13. Januar bis 17. Februar 2024 Meusers jüngere und aktuelle Arbeiten. Die beiden Ausstellungen zeichnen nach, wie Meuser seit den 1970er Jahren bis in die heutige Zeit, im Spannungsfeld von Konstruktivismus, Readymade und Minimal Art, sein eigenständiges Werk weiterentwickelt, das mit tiefsinniger Ironie dem Pathos der Moderne die Schwere austreibt und bis heute nicht an Relevanz verliert.
Das Jahr, in dem Meuser sein Studium bei Joseph Beuys und später bei Erwin Heerich beginnt, 1968, markiert den Beginn der Studentenrevolten. Politische Diskussionen prägen die Stimmung an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo Meuser, später selbst langjähriger Professor an der Akademie in Karlsruhe, auch Seminare in Philosophie und Kunsterziehung belegt. Aus dieser hitzigen Stimmung heraus versucht Meuser, bestärkt durch seinen Freund Imi Knoebel, mit dem zu arbeiten, was da ist und beginnt seine regelmäßigen Streifzüge auf dem Schrottplatz. „Aus der Not heraus“, wie er sagt. Das Rattern endloser Güterzüge, massive Stahlträgerbrücken und gewaltige Hochöfen prägten bereits den Alltag seiner Kindheit im Ruhrgebiet. 1947 in Essen geboren und aufgewachsen zwischen Kriegstrümmern und Wirtschaftswunder, nahm sein Vater, der Ingenieur, den Sohn oftmals mit auf Touren zu Industrieunternehmen.
Seit dieser ersten Materialsuche auf einem Düsseldorfer Schrottplatz in den 1970er Jahren, entwickelt Meuser ausgehend von den schweren und wuchtigen Materialien Eisen und Stahl seine abstrakt-konstruktive Formensprache. Bleche, Lüftungsschächte, T-Träger, Schubkarren und andere Gebrauchsgegenstände verarbeitet er durch oft nur minimale Eingriffe zu Skulpturen. Viele seiner Arbeiten haben einen stark bildhaften Charakter und suchen die Nähe zur Wand. Statt des Begriffs der Skulptur gebraucht der Kunsthistoriker Bernhard Bürgi deshalb auch den der „dreidimensionalen Realität“ oder „bildartigen Konstellation“. Meuser selbst liegen solch komplizierte Fachbegriffe fern, er beschreibt einige seiner Arbeiten lieber als „Wandungen“. Sprache ist ein zentrales Element in Meusers Werk. Während seine frühen Arbeiten meistens noch Ohne Titel auskommen, merkte Meuser irgendwann, „dass das Leben lustiger ist, wenn man auch textmäßig reintaucht.“ Für jede Arbeit denkt er sich seitdem einen launischen, zuweilen lustigen oder anstößigen Titel aus. So konstituieren sich Meusers Werke nicht nur in der Spannung zwischen der skulpturalen Anlage und der Bildhaftigkeit, sondern auch in der Spannung zwischen Sprache und Objekt. In einem Gespräch mit seinem Künstlerkollegen Franz Ackermann erzählte Meuser einmal, dass man im Ruhrpott, wenn man abhob, immer sofort wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurde – und zwar durch die Sprache in ihrer banalsten Form. Dasselbe Muster exerziert Meuser mit seinen Werktiteln: Erst erhebt er den Schrott zum Kunstwerk, um es dann durch die Sprache wieder auf den Boden der banalen Alltäglichkeiten zurückzuholen.
Das Material, das Meuser auf dem Schrott findet, wird zugeschnitten, geschweißt, gestaucht, gefaltet, kombiniert und oft bemalt – mit Rostschutzanstrich oder Ölfarbe. Die Farbe bringt ein drittes Moment der Spannung ins Spiel, denn durch den direkten Einsatz der Rostschutzfarbe – wenn sie nicht sowieso schon auf dem Fundstück vorhanden ist–, wirkt sie eher wie eine Art Überzug, eine weitere Schicht auf dem Material, womit die skulpturale Qualität die malerische überwiegt. Eine Rostschutzfarbe, die Meuser jahrelang verwendete, da ihr Orange so intensiv leuchtet, ist die titelgebende Mennige. Das Pigment ist giftig, weshalb die künstliche Herstellung seit 2012 in Deutschland verboten ist. Für Restaurierungen ist sie noch erhältlich. Im Kontrast zu den oxidierten Flächen des unbehandelten Metalls leuchten die Mennige, aber auch andere Rostschutzfarben wie Grau, Rotbraun oder Ockergelb, besonders intensiv. Mit den Jahren ist Meusers Farbpalette feiner geworden. Zunächst kamen Indigoblau, Gelbgrün und Zinnoberrot hinzu. Die Wallungen und Falten des Blechs der jüngeren und aktuellen Arbeiten, zu sehen bei Bärbel Grässlin, legt Meuser in pastell-pudrige Töne, die von Rosa und Eierschalenweiß über Neapelgelb bis ins Beige reichen.
Trotz der Schwere des Materials und der oft scharfen Kanten, wirken Meusers Arbeiten leicht. Auch wenn das Verformen von Eisen und Stahl viel Kraft bedarf, scheinen Meusers Arbeiten weniger deformiert, mit Gewalt in eine neue Form gezwungen, als mit geduldiger Sorgfalt in der Erscheinung verändert, in Wallungen gebracht und in Falten gelegt. Tritt man näher an sie heran, sieht man zuweilen auch Löcher, Risse und organische Strukturen. Die Härte des Materials tritt zurück zugunsten einer optischen Weichheit. Was Meusers Arbeiten auszeichnet, ist ihre Aufrichtigkeit, ihre Menschlichkeit. Er faltet und stülpt das Innere des Materials nach Außen.
Text: Alicja Schindler