Wir freuen uns, mit Papyrus containing the spell to preserve it’s possessor die dritte Einzelausstellung von Gabriel Vormstein – erstmals in unseren Berliner Galerieräumen – präsentieren zu dürfen.

Gabriel Vormsteins Malerei, Collagen und Installationen umschreiben verschiedene Formen von Zeitlichkeit, wobei sie die befristete Aktualität eines Zustands umkreisen. Der Gedanke der Endlichkeit wird dabei konkret in der Verwendung von porösen und leicht vergänglichen Materialien, die in ihrer begrenzten Konsistenz der Arte Povera verwandt sind. Die Haptik von dünnem Papier, die spröde Beschaffenheit von trockenem Holz oder die Liquidierung von Tee zu Farbe – die Zersetzbarkeit der von Vormstein verwendeten Materialien bildet die von Auflösung geprägte Gestalt seiner Arbeiten. Neben der Tageszeitung, die als Ersatz und Erweiterung der klassischen Leinwand Gabriel Vormsteins Bildträger definiert, verwendet der Künstler in seinen neuen Arbeiten auch Kunststofffolien und feine, leicht modifizierbare Papiervariationen als Bildgrundlage. Durch installative Einbauten in unseren Galerieräumen hat Vormstein über die Verkleidung der Wände mit Papier den Bildträger auch auf die Wandflächen in den Ausstellungsraum hinein erweitert.

Bildfläche und Raum werden hierbei über Materialität und Technik zu körperhaften Bildobjekten. Die Haptik des Papiers tritt besonders in Arbeiten wie Processions of Digestions hervor, dessen Gewebe sich im Aquarellieren mit Pigment und natürlich färbenden Essenzen aus Kaffee und Tee zu einer epidermisartigen Oberfläche wölbt.
Das Generieren einer künstlichen Membran im Schichten von Material wird so auch in Collagen wie Wander Above deutlich: hier hat Vormstein die Serviettentechnik als künstlerisches Verfahren adaptiert und das Zeitungsblatt mit einer Auflage aus verschiedenfarbigen, transparenten Flächen versehen.
Entfaltet sich der Bildkorpus dort in der Tiefenebene des Bilds, entwächst er in Vormsteins Collagen auf Kunststofffolie aus einer porösen Schichtung. Das Übereinanderlegen von Dispersionsfarbe, Graphit, organischem Gewebe und Folie – wie in der Arbeit „Archeopt/What can be safely read“ – erzeugt eine fragile Oberflächenstruktur, welche das Bild als synthetische Haut festhält. Im Umwerten eines Abfallbeutels als Bildgrund erzeugt Gabriel Vormstein hierbei eine künstliche Patina, welche das Historische zugleich als artifizielle Aneignung persifliert.

Das Rezitieren von kultur- und kunsthistorischen Motiven – so unter anderem aus dem Expressionismus der Wiener Moderne oder der geometrischen Formensprache der Klassischen Moderne – ist formgebend in Vormsteins Bildern. Der Künstler bringt hierbei einander gegenläufige Tendenzen und Stilkategorien wie Minimal Art, Informel oder Hard Edge in einer oppositionellen, als auch dialogischen Ausrichtung zusammen. Gleichwertig erscheinen Sujets wie Portrait, Früchte- oder Vanitas-Stillleben, als auch Landschaftsmotive nebeneinander. Die Geschichte der Kunst wird hierbei als Geschichte von Abfolgen sichtbar. Gabriel Vormstein skizziert damit die bedingte Haltbarkeit und das modifizierte Erscheinen von Stilen in einer autonomen Bildsprache: Stil als Variable eines inneren Strukturprinzips zu handhaben, entspricht hierbei einer Auffassung, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Schriften des Kunsthistoriker Alois Riegl artikuliert wurde.

Das Herausgreifen von spezifischen Elementen erfolgt in Gabriel Vormsteins Bildzyklen immer wieder auch aus eigenen, vorangegangenen Werken, wobei diese als konkretes Material in seine Bilder einfließen. Der Künstler stellt hierbei die Funktion des Konservierens in Frage, und erzeugt im Vorgang des Wiederverwertens alter Bildformen ebenso eine Position, welche das Gewesene aus einer aktuellen Perspektive darstellt sowie aufrechterhält. Die Einschränkung von Gültigkeit, als auch die Prozesshaftigkeit eines Bildes, schreibt Gabriel Vormstein seinen Arbeiten dabei als narratives Moment ein, und führt dieses zugleich als Erinnerungswert und Relikt seiner Handlung ad absurdum.

Christina Irrgang