Wir freuen uns, mit der Gruppenausstellung Passage acht junge Künstler zu präsentieren, die aktuell ihr Studium der Bildenden Kunst an der Karlsruher Akademie der Bildenden Künste vollziehen oder absolvieren. Die Bedeutung des Begriffs ’Passage’ – wie Durchgang, Überquerung, Abschnitt oder Ausschnitt – nimmt hierbei gleichsam Bezug zur Position und eigenen Positionierung dieser Künstler, wie auch zur Struktur ihrer spezifischen künstlerischen Arbeiten. In den Medien Aquarell/Zeichnung, Malerei und Skulptur werden so in der Ausstellung unterschiedliche Stadien des Durchschreitens, oder des Konstruierens von Zwischenräumen und -welten zum Gegenstand. Abstrahierte, fiktive oder konkrete Bildräume, wie auch die hier entstehenden, installativen Raumsituationen nähern sich dabei einem ephemeren Begriff von Raum an: Raumgefüge, die in den jeweiligen künstlerischen Arbeiten suggeriert, erzeugt, oder auch aufgebrochen werden – und als Verbindungswege zwischen dem schon Vergangenen, dem Tatsächlichen und dem Möglichen bestehen.

Die Skulpturen von Jörg Gelbke (*1974) handeln von einer sich überlagernden An- und Abwesenheit von Raum, Zeit und Form. Gelbke führt konkrete Raumsituationen mit bereits vergangenen – mitunter fiktiven – Zuständen zusammen, die er als Abgüsse möglicher räumlicher Strukturen und Zeitverläufe in den Ausstellungsraum einschreibt. Ein aus Wachs gegossener, frei stehender Block zeigt auf der einen Seite den Abdruck eines Kellerfensters, während die vorderseitige Partie die Struktur eines Mauerwerks sichtbar werden lässt – ein solches Gemäuer, wie es an der hinter dem Block liegenden Wand des Galerieraums besteht, doch als Negativform auf einen nicht existenten Zwischenraum verweist. Strukturen beizubehalten, aber durch Zeit bedingte Differenzen im Material sichtbar werden zu lassen, zeigt Gelbkes Umformung zweier Doppel-T-Träger: die zunächst aus Gelatine gefertigten Abgüsse hatte der Künstler für sechs Monate in Holzkisten in der Erde vergraben, und in der Folge die durch Verwitterung zersetzen Formen mit den ihnen eingeschriebenen Spuren in Stahl rückgegossen.

In den Malereien und Zeichnungen von Waldemar Zimbelmann (*1984) entfalten sich Phantasmagorien: durchzogen von einer Kreisbewegung, entlang derer sich die Komposition seiner Bildräume aufbaut, überlagern sich gleichsam Zeit- und Raumebenen, aus denen sich Zimbelmanns surreale Narrationen bruchstückhaft herausschälen. Sichtbar werden hier mitunter Köpfe mit ineinander verschobenen Gesichtsausdrücken verschiedener Charaktere, die sich zwischen einem seelischen Innen und Außen, sowie zwischen Interieur und Naturraum bewegen. Der Bruch mit, und Aufbruch von einer kontinuierlichen Raum-Zeit-Beziehung, wird so auch in der Textur des Bildes evident: die zerknitterte und aufgeraute Oberfläche des Papiers erweitert den Bildraum um eine faktische Tiefe, die sich dem Betrachter über die Materialität der Bildes vermittelt – und als materiale Signatur das Skizzenhafte festhält.

Una Kim (*1986) macht die Verbindung, Loslösung und Wechselwirkung von Farbpigmenten und Papier zum Gegenstand ihrer Zeichnungen: in einem nahezu alchimistischen Verfahren ergründet sie Möglichkeiten und Grenzen der Zeichnung und der Oberfläche des Bildes, und lässt dabei organisch-anorganische Strukturen in ihren Bildräumen entstehen. Die zumeist großflächig aufgetragenen Pinselstriche münden dabei in feingliedrige, sich ausdifferenzierende und überlagernde Farbverläufe, in denen Pigmente sich ballen und streuen – und nicht zuletzt zu einer Choreografie aus abstrakt-amorphen Figuren, Gebäuden und Landschaften entwachsen und miteinander verschmelzen.

Die Bilder von Tomomi Morishima (*1984) weisen über das Medium Malerei hinaus: in einer zwischen Positiv und Negativ zirkulierenden Konzeption des Bildraums, grenzen seine Malereien an fotografische Bildkader, aus denen sich in einem Verfahren der Überblendung surreal-konkrete Räume herausschälen. Morishima arbeitet dabei gleichsam mit Farbflächen und Leerstellen, wobei seine Bildkomposition aus starken Kontrasten, klaren Linien und ineinander fließenden und sich ausdifferenzierenden Farbfeldern entwächst. Seine Bilder changieren zwischen sachlicher Konstruktion und organischem Verlauf – sie eröffnen ein Panorama, das Landschaft und Architektur ineinander verschränkt und in einem Stadium der Zwischenblende einfängt und bestehen lässt.

Das Surreale und Utopische sind Sujets, die in den Objekten von Tommy Wonka (*1979) zum Gegenstand gebracht werden. Seine Objekte treten als Synonyme an die Stelle von architektonischen und menschlichen Körpern, deren Konsistenz, Brüchigkeit und Ambivalenz der Künstler in seinen Plastiken thematisiert. Wonkas Objekte fungieren dabei oftmals als Display, so mitunter auch als Repräsentanten für seinen eigenen Körper, und bringen durch Brüche vertrauter Formen die Wechselbeziehung von Subjekt und Objekt und deren Positionierung zueinander hervor. Der in seine Glieder segmentierte, mit Blattgold überzogene Abguss einer Hand, das gedoppelte Spiegelbild, oder eine Blattserie von unbeschriebenem Papier, das – an einem Holzhaken hängend – einzig seine Herkunft transportiert: Tommy Wonkas Objekte zeigen Momente der Irritation, die durch das Darlegen einer vertrauten, doch zugleich verfremdeten Formensprache gespeist und durchfahren werden.

Samantha Bohatsch (*1984) formuliert in ihren Aquarellen Erinnerungen an Orte, die sie in einer minimalen, abstrahierten Formensprache als Schraffur des Erinnerten herausbildet: als Reaktion und Nachhall auf ihre Forschungsreisen nach Görlitz und Broadstairs entstanden, zeichnet Bohatsch in dieser Sammlung von Bildern in fast transluziden Farbschichten die erfahrenen und in der Erinnerung überdauerten Fragmente von Räumen, Objekten und Ereignissen nach. Konturen, geometrischen Körper oder prismenartigen Farbflächen werden dabei gleichsam zu Spuren, schattenhaften Umrissen und Substituten: an die Stelle von Begriffen treten Bilder, entlang derer sich narrative Raumschichten entfalten und zwischen Konkretion und Traum miteinander verflechten.

Die Bildräume in der Malerei von Enrico Bach (*1980) sind Räume im Werden: komponiert aus Fragmenten, Konturen und Farbfeldern, entstehen seine Bilder aus einer Bewegung des Zusammenfügens und fangen hierbei gleichsam Bewegung ein, die sich als pulsierende Montage im Bildraum und über diesen hinaus entfaltet. Seine Malereien sind Konstellationen, die ihren Gegenstand aus Raumsituationen, Objekten und Momenten des Übergangs speisen. Enrico Bach malt dabei in Schichten und Ebenen und zergliedert die Bildfläche und den Bildgegenstand, indem er geometrische Formen und pixelartige Exzerpte hervor bringt. Bachs Bilder öffnen und entziehen sich ihrer Konkretion dabei zugleich – sie bewegen sich in einem Stadium zwischen Figuration und Abstraktion und knüpfen in ihrer steten Fluktuation an imaginäre Räume, aus denen heraus sie entstehen.

Die Objekte von Max Leiß (*1982) entstehen aus einem Transfer von Form und Raum: aus teilweise gefundenen und anschließend modifizierten Materialien generiert der Künstler ein Formenvokabular verschiedener Medien, aus dem heraus er seine Arbeiten entwickelt und in Bezug zueinander setzt. Formgebung wird hier zum Prozess, wobei das Kenntlichmachen von Spuren und der Verweis auf einen „ästhetischen Rest“ als Teil dieses Prozesses wirkt. Ein Bezugspunkt der von Leiß in den Raum gegossenen Schamott-Plastik ist so mitunter eine Papiercollage, die der Künstler durch das Ausschneiden von Bild- und Sprachflächen erzeugt, und dem physischen Objekt als eine Art Konstruktionsplan zu Grunde gelegt hat. Die in Einzelteile zergliederte, achteckige Skulptur aus gefundenem und bearbeitetem Metall steht hingegen in Referenz zum Außenraum der Galerie. Sie zeichnet gleichsam Raum und einen Formverlauf nach, der sich als minimalistischer, abstrahierter Körper im Ausstellungsraum spiegelt.

Christina Irrgang