(De) Wir freuen uns, mit Reconstructing Damon Albarn in Kinshasa die dritte Einzelausstellung der Künstlerin Jeanne Faust, die zugleich auch ihre erste Ausstellung in unseren Berliner Galerieräumen ist, präsentieren zu dürfen. Film und Fotografie sind Medien, die sich in Jeanne Fausts künstlerischer Arbeit in einer Verbindung von konkretem und imaginiertem Bild durchdringen. Die Rekonstruktion eines bereits geschehenen Zustandes oder eines außerhalb der dargestellten Situation liegenden Ereignisses …
(De) Wir freuen uns, mit Reconstructing Damon Albarn in Kinshasa die dritte Einzelausstellung der Künstlerin Jeanne Faust, die zugleich auch ihre erste Ausstellung in unseren Berliner Galerieräumen ist, präsentieren zu dürfen.
Film und Fotografie sind Medien, die sich in Jeanne Fausts künstlerischer Arbeit in einer Verbindung von konkretem und imaginiertem Bild durchdringen. Die Rekonstruktion eines bereits geschehenen Zustandes oder eines außerhalb der dargestellten Situation liegenden Ereignisses erfolgt hierbei als (Nach)Erzählung, deren Korpus sich oft gleichsam aus Bild-, Text- und Handlungsfragmenten konstituiert. Der so umschriebene Bildgegenstand muss jedoch im Bild nicht sichtbar sein, besteht oft gar als Referenz auf eine außerhalb des Bildes liegende Wirklichkeit. Konzeptuelle Formen der Bildbetrachtung – durch literarische, verbalisierte oder bildhafte Bildbeschreibungen – konstituieren so auch den Topos in Jeanne Fausts Arbeit, die den Umgang mit Bildern beleuchtet. Die Inszenierung als solche sichtbar zu machen, wird hierbei zum Stilmittel ihrer Arbeitsweise: So zeugt das Nachspiel einer behaupteten Situation gleichsam von Authentizität und Imitation, und macht im bildhaften Aufzeigen einer Differenz letztlich das Schauspiel zum Thema ihrer cineastischen Bildräume. Es ist eine kritische Gegenüberstellung von Originalität und Nachahmung, und hiermit verbunden vor allem die Hinterfragung des Versuchs der Annäherung an ein Idealbild, das in Jeanne Fausts neuen Arbeiten zum Gegenstand ihrer Bildanalysen wird. Der Frage nachgehend, wie man als Betrachter auf ein Bild schaut, und in welchen medialen Ausformungen dieses letztlich darstellbar ist, wird so auch in unserer Ausstellung – mittels Film und Fotografie – zum Gegenstand der Betrachtung.
Den Mittelpunkt der Ausstellung bildet der Film Reconstructing Damon Albarn in Kinshasa. Ausgang des Filmes ist eine Pressefotografie, die den britischen Musiker und Sänger Damon Albarn im Rahmen eines Pop-Konzertes in Kinshasa zeigt. Es ist jedoch nicht das Abbild der Fotografie als solches, welches im Film sichtbar wird: Vielmehr zirkuliert dieses Bild als szenisch verbalisierte und visualisierte Umschreibung, die von zwei Protagonisten in einer nahezu grotesken, in vier Szenen gegliederten Handlungsabfolge inszeniert wird.
Zu sehen ist ein Raum, dessen Stirnseite aus einer in sich quadrierten Fensterfront besteht. Das Interieur gibt die Sicht auf einen Tisch mit Requisiten frei, welcher links und rechts von den beiden Akteuren – gespielt von Jean-Christophe Folly und Lou Castel – flankiert wird. Ein nebensächlich gehaltener Dialog lässt eine Wartesituation dieser scheinbar miteinander vertrauten Figuren kenntlich werden, deren Vorhaben sich dem Betrachter in einer sukzessiven Handlungssteigerung und einer damit einher gehenden Rollenverschiebung im Verlauf des Filmes erschließt. Bezug nehmend auf die eingangs erwähnte Fotografie, die im Film von einem der Akteure in Form einer Bildbeschreibung skizziert wird, imitieren die beiden Protagonisten das fotografische Abbild von Damon Albarn und einem kongolesischen Musiker, und stellen dieses in der Weise eines Reenactments nach.
Jeanne Faust führt im Darlegen dieser nacherzählten, gleichsam nachgestellten Bildsituation die Simulation eines Bildes vor. Mimese, deren Funktionen der französische Philosoph Roger Caillois als Travestie, Tarnung und Einschüchterung beschrieben hat, wird hier derart im mimetischen Verhalten der Filmakteure evident, das gleichsam im fiktiven Nacherzählen und physischen Nachahmen eines Vorbildes erfolgt. Der Raum, in welchem die Akteure handeln, besteht als Bühne und Maske zugleich, und bildet simultan das Setting als auch die darin stattfindende Inszenierung ab, wobei beides vom Filmbild als Schauspiel eingeschlossen wird.
Es ist dabei vor allem die dem im Film inszenierten Bild anhaftende Farce, die Jeanne Faust in Reconstructing Damon Albarn in Kinshasa sichtbar macht: Indem noch im Film ein aus der demonstrierten Situation erzeugtes Standbild durch eine Aufnahme über den Selbstauslöser entsteht, generiert die Künstlerin über die Aktion ihrer Protagonisten ein selbstreflexives Moment, das als Zeugnis einer Handlung den Prozess der Annäherung zwischen Abbild und Vorlage beschreibt – aber das sich gleichsam in der Gegenüberstellung mit dieser Schablone als Rekonstruktion auflöst. Mittels der Durchdringung von Film und Fotografie, die so auch im Galerieraum durch die Gegenüberstellung beider Medien erfolgt, als auch durch die direkte, aus dem Film heraus gerichtete Rede des älteren der beiden Protagonisten, wird auch der Betrachter der von Jeanne Faust erzeugten Bilder zu einem – wenn auch fiktiven – Akteur, in dem sich die erweiterte Dimension des filmisch dargestellten Blicks manifestiert.
Christina Irrgang