(De) Betritt der Betrachter die Räume der Galerie Meyer Riegger in Karlsruhe, fällt der Blick auf eine glänzend-spiegelnde Kugel, die alle Blicke, die auf sie gerichtet werden, einfängt, und alle Körper, die sich ihr nähern, darin als verzerrte Miniatur bündelt. Der “Gazing Ball” macht aus uns Schauenden eine Karikatur, wirft uns, wie wir da stehen, auf uns – als gleichermaßen Reflektierende – zurück. John Miller beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Identifikations- und …
(De) Betritt der Betrachter die Räume der Galerie Meyer Riegger in Karlsruhe, fällt der Blick auf eine glänzend-spiegelnde Kugel, die alle Blicke, die auf sie gerichtet werden, einfängt, und alle Körper, die sich ihr nähern, darin als verzerrte Miniatur bündelt. Der “Gazing Ball” macht aus uns Schauenden eine Karikatur, wirft uns, wie wir da stehen, auf uns – als gleichermaßen Reflektierende – zurück. John Miller beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Identifikations- und Repräsentationsmodellen der Gesellschaft, die er kontinuierlich beobachtet, und in seinen Objekten, Collagen, Malereien, Fotografien und Videos zur Diskussion stellt. Ist die Wirklichkeit verzerrt, oder das Bild, das sich von ihr abzeichnet? In seiner vierten Einzelausstellung in der Galerie Meyer Riegger zeigt John Miller erstmals die “Pedestrian Paintings”, eine Folge an Portraits von Großstadtmenschen. Die Figuren hat Miller seinen “Middle of the Day Pictures” entnommen, eine fortlaufende Fotoserie, in der er Menschen und deren Gesten im urbanen Raum festgehalten hat. Die Komposition des Bildmoments unterliegt dabei dem Zufall der Situation. Ähnlich, wie darin Passanten mit suchendem, bestimmtem oder sich verlierendem Blick an Straßenkreuzungen stehen oder laufen, erscheinen nun die Figuren in Millers “Pedestrian Paintings”. Doch sie wirken auf der Leinwand, die sich jeweils nach der Dimension der Gruppe skaliert, nahezu ausschnitthaft, schematisch exponiert. Der Hintergrund, und damit der Kontext des die Personen umschließenden Momentes, ist eliminiert: Miller stellt sie frei in ihrer situativen Präsenz, zwischen bewusster Geste und unwissender Beobachtung ihrerseits, und legt sie zugleich unseren Blicken als Beobachter dar. Sie sind Statisten auf der Leinwand. Stilistisch sind sie zunächst in ihrer sepiabraun-grauen Farbigkeit als Referenz zu Millers “TVPaintings” zu sehen. Doch während jene expressive Gesten wie Trauer und Verzweiflung von zumeist einzelnen Protagonisten zeigen, folgen die Figurengruppen in Millers “Pedestrian Paintings” in ihrer Mimik und Körpersprache einer räumlichen Bewegung und fortlaufenden Kommunikation – die sich jedoch mit jedem vorangesetzten Schritt und gesprochenem Wort zu verlieren scheint. Es wirkt in einem zweiten Betrachterblick beim In-Bezug-Setzen der einzelnen Figuren zueinander im Bild also viel mehr so, als redeten sie aneinander vorbei, oder mit sich selbst. Dieser Moment des Selbstgesprächs und der in sich selbst kreisenden, zirkulierenden Gedanken findet sich dann ähnlich in den Musikvideos des virtuellen Bandprojekts ROBOT. Die Künstler Takuji Kogo und John Miller produzieren hierunter Songs, deren Texte aus Kontaktanzeigen entnommen sind. Sowohl Stimme, als auch Musik basieren auf synthetisch erzeugten Klängen, die durch Animationsvideos illustriert werden. So zeigt “My name is Katy” den Blick auf hintereinander aufscheinende Straßenschilder, die verschiedene Eigenschaften von “Katy” bewerben, während eine Stimme ebendiese Texte “schildert”. Das Video simuliert dabei eine Fahrt über einen Freeway in Los Angeles, dem Wohnort von “Katy”. Ihren Eigenschaften sind Pfeile zugeordnet, die ähnlich dem Wechseln der Spur auf der Straße so auch symbolisch die Ausrichtung und Intensität ihrer Vorzüge kommentiert. Die einseitige, frontale Kommunikation, erinnert dabei an einen Diskurs des Theaters: “Katy” sendet ihre Worte aus an einen potenziellen Empfänger, von dem aber keine Reaktion erfolgt, da er unbestimmt bleibt.
Christina Irrgang