(De) Jonathan Monk hortet gerne Bücher. Er tat dies – halbwegs aus Jux – mit Ed Ruschas Künstlerbuch Crackers (1969) und wurde dabei mit den dreiunddreißig Exemplaren in seinem Besitz zum vielleicht weltgrößten Sammler des in limitierter Auflage herausgebrachten Werks. Monks Bestände an Crackers-Exemplaren wurden dann auch selbst zu Kunstmaterialien, als 2013 die gleichnamige Video-Arbeit Crackers (2013) entstand, die anhand einer Folge von Filmaufnahmen aller Covers der gesammelten …
(De) Jonathan Monk hortet gerne Bücher. Er tat dies – halbwegs aus Jux – mit Ed Ruschas Künstlerbuch Crackers (1969) und wurde dabei mit den dreiunddreißig Exemplaren in seinem Besitz zum vielleicht weltgrößten Sammler des in limitierter Auflage herausgebrachten Werks. Monks Bestände an Crackers-Exemplaren wurden dann auch selbst zu Kunstmaterialien, als 2013 die gleichnamige Video-Arbeit Crackers (2013) entstand, die anhand einer Folge von Filmaufnahmen aller Covers der gesammelten Crackers-Exemplare deren jeweils unterschiedliche Abnutzungszustände darstellte. Mit Knowledge [Wissen] (2017) geht Monks Bibliophilie indes andere Wege. Das Werk besteht aus zwölf Heftmappen der im Großbritannien der frühen 1960er Jahre publizierten Serie Discovering Art, die der Künstler jeweils mit durchsichtigen Plexiglas-Boxen umhüllt hat. Aus den Mappen hat Monk die darstellenden Inhalte entfernt – die dünnen, wöchentlich erscheinenden Magazin-Hefte illustrierten verschiedene Jahrhunderte der Kunstgeschichte. Monks Exemplare von Discovering Art stammen aus dem Haus seiner Mutter im englischen Leicester. Als Kind hat Monk beim Durchstöbern der elterlichen Bibliothek die damals noch in den Mappen eingeordneten Hefte entdeckt und dort erstmals überhaupt Kunstbilder zu Gesicht bekommen. Paradoxerweise verweigert Knowledge (2017) jeglichen Zugang zu den Seiten bzw. zu dem Wissen, das in diesen leeren Hüllen enthalten war. Wie Crackers (2013) aber erinnern uns auch Monks Hüllen humorvoll an die Wichtigkeit von Büchern als gestalteten Artefakten, die auf Regalen sitzen und zum Gesehenwerden da sind, oder, in der vielzitierten Formulierung von Lawrence Weiner: Bücher möblieren sehr wohl einen Raum. An ihren Einbänden soll man Bücher erkennen. Wohl wichtiger ist aber die Feststellung, dass die leeren Hüllen in Monks Werk – in Anlehnung an seine Kindheitserinnerungen – uns nostalgisch an die visuellen und haptischen Erlebnisse der eigenen Kindheit erinnern, wo wir Kunst durch deren analoge Reproduktion in Büchern erfuhren. (Im Zeitalter des Internets und des digitalen Bildes ist dieses Kindheitserlebnis zweifellos im Schwinden begriffen.) Auch bei mir wurden Kunstleidenschaft und ‚Kunstkenntnis‘ erstmals geweckt, als ich E.H. Gombrichs Klassiker The Story of Art (1950) in Händen hielt, darin blätterte und die wunderschönen Illustrationen betrachtete. Gombrichs kunstgeschichtliche Narration mag zwar heute – ähnlich wie die Narration in Discovering Art – altmodisch-absurd anmuten, aber: Spielt das überhaupt eine Rolle, solange ich in diesem Museum ohne Mauern erstmals der Kunst begegnete? Generell geht unserem Erlebnis des Originals die Begegnung mit einer Reproduktion voraus. Vielfach ist die in Kunstbüchern zu sehende Abbildung die einzige Erfahrung eines Kunstwerks, die uns zuteilwird, während das ‚Original‘ uns für immer unzugänglich bleibt. Dabei wird die Dialektik zwischen dem Originalkunstwerk und der fotografischen Reproduktion oft – wie etwa bei Walter Benjamin – als Einwirkung der letzteren aufs erstere und somit als negativ oder erlösend dargestellt. Diese Dialektik lässt jedoch die Art von Äquivalenz außer Acht, die es durchaus zwischen Originalen und Kopien geben kann: eine Äquivalenz, auf die, so denke ich, Jonathan Monk in seinem Schaffen oft rekurriert. Die Betrachtung von Kunst hat offensichtlich Spuren in Monks eigener künstlerischen Praxis hinterlassen, wie auch das Sammeln von Kunst im Sinne von Originalwerken – die Monk häufig durch Tauschaktionen mit anderen Künstlern erwirbt –, limitierten Auflagen, Büchern, Dokumenten, Postkarten und Ephemera. Stellt die durch diese diversen Medien veranlasste Zirkulation von Kunst für Monk eine Spiel- und visuelle Verweismöglichkeit dar, so ist sie auch ein Erfahrungsbereich, in dem Wertunterschiede zwischen Bild und Medium – seien sie ästhetischer, symbolischer oder ökonomischer Art – einem permanenten Erodieren und Zerfall unterworfen sind.
Text: Daniel McClean
Übersetzt von: Richard Humphrey