(De) Peppi Bottrop trägt den Namen der deutschen Stadt im Ruhrgebiet, in der er geboren wurde. Als dort eine Zeche nach der anderen schließen musste, entstand der Begriff „Industrienatur“. Er beschreibt die wilde Vegetation, die sich auf den verlassenen Produktionsstätten entwickelte. Mit seinen Gemälden durchforstet Bottrop diese Überlagerung von Industrie und Natur und schafft kartografische Erinnerungsräume.
Eine der Reaktionen auf die Folgen der Krisen durch die Industriegesellschaft war die Punkbewegung. Deren Kraft ist in Bottrops Bildern zu spüren. Elemente „wilder Malerei“ gemeinsam mit fortentwickelten Strukturen der geometrischen Abstraktion ergeben in Bottrops großformatigen Bildern eine völlig neue Formensprache. Stilprägend sind auch die Materialien: Kohle, Graphitstifte, Metallpigmente, Rostumwandler und Acryl entsprechend der Farbigkeit des „Rust Belts“. Bottrops Arbeiten reflektieren Zerstörung, Wachstum und die Möglichkeit neuer Ordnungen.
Ausstellungstext von Grant E. Tyler:
Peppi Bottrops Gemälde sind unruhig, aber keineswegs unsicher. Ihre Formen erinnern an geschwungene Fragezeichen – doch statt eine Frage zu stellen, formulieren sie eine Behauptung. Sie fordern die Betrachtenden heraus, sich mit der unvollendeten Aufgabe der Moderne auseinanderzusetzen. Die Bilder sind roh und unmittelbar: freigelegtes Gesso, zerkratzt von flüchtigen Kohlespuren, wie Entwürfe für ein noch nicht verwirklichtes Objekt. Sie sind Satzfragmente, die nachhallen und auslaufen – offen, aber nicht verloren, gefangen in einem eigenartigen Schwebezustand zwischen Gegensätzen.
In Bottrops Linien steckt etwas eigensinnig Romantisches, fast Mittelalterliches. Seine geschwungenen Formen und Volumen erinnern an die erhabene Wucht gotischer Kathedralen, an die reine Schönheit der höfischen Liebe. Sie sind weder Klage noch Jubel. Sie gleichen den wechselnden Phasen des Mondes: zunehmend, orbital, rund. Die aschige Kohle verleiht ihnen etwas Endgültiges. Sie treten mit Nachdruck auf, behaupten sich. Doch was genau sie behaupten, bleibt unbestimmt, schwebend wie Rauch. Wäre Bottrop ein Troubadour, dann keiner, der der Nostalgie verfällt, weniger formal starr, mehr lebensbejahend – weniger Andrés Segovia, mehr Randy Rhoads.
Wie in Henri Matisses Porträt von Mademoiselle Yvonne Landsberg entfalten sich Bottrops Linien mit einer ungenierten, unsentimentalen Schönheit. Sie sind klar und direkt, ohne sich in malerischer Ausschmückung zu verlieren. Sie setzen an, bauen Spannung auf und brechen ab – ohne sich der Pflicht zur Vollendung zu unterwerfen. Auch die Farben tragen den spröden, sachlichen Ton eines industriellen Zeitalters. Matisses Gemälde stellt die Frage, ob die traditionelle Vorstellung von Schönheit noch in die moderne Welt passt. Noch heute fordert uns dieser spielerische Umgang mit Form und Ausdruck heraus, über das nachzudenken, was ein Bild weglässt. Bottrops seelige Verspieltheit, sein Beherrschen von ergebnisoffener Materialität und Formalismus, lässt uns, den Betrachtenden, Raum, um darüber nachzudenken, was vom ästhetischen Projekt der Moderne noch übrig ist. Wait till the end.